Alles aus meiner Hand

Montag, 30. September 2013

WWW - Potential für den richtigen Partner?

Peter Bunt: „LOL oder meine wundersamen Abenteuer in der Singlebörse“

Bibliographisches:
·         erschienen 2011 im Verlag DeBehr
·         umfasst 317 Seiten

Inhalt:
Kurz und bündig. Peter wird von seiner Frau aus der gemeinsamen Beziehung entlassen. Auf der Suche nach einem Neuanfang versucht er sich im WWW. Singlebörsen gibt es in rauen Mengen. Nur was ist die richtige für diesen Herrn. Gesucht. Gefunden. Nächstes Problem: Profil. Ansprechend soll es sein. Aber auch niveauvoll soll es sein. Was spricht die Damenwelt an? Profil erstellt. Nun galt es auf die ersten Anschriften zu warten. Doch obwohl das Portal für gebildete Damen und Herren und deren Ansprüche an eine Beziehung warb, musste er schon bald erkennen, dass Werbung und Tatsachen weit auseinander trifteten. Das erste Date erwies sich als Schocktherapie. Die Erfahrungen stellen sich als sehr breitgefächert dar. Eine Reise ins Ungewisse geht da der Autor ein.

Cover und sprachliche Gestaltung:
In wenigen Worten gesagt, trefflich gelungen. Schon das Cover verrät den Inhalt, lässt keinerlei Fragen offen.
Sprachlich ist es als Debut des Autors gelungen. Entsprechend dem Genre verwendet der Autor eine der Umgangssprache angemessene Wortwahl. Das Buch ist leicht zu lesen, manche mögen sagen, dass es oberflächlich ist. Liest man aber zwischen den Zeilen, erkennt man auch sehr schnell eine mögliche Kritik. Vom Autor beabsichtigt? Ich habe es auf jeden Fall so herausgelesen. Besonders gehaltvoll wird der Roman durch die Auflistung der erhaltenen Mails. Somit wirkt der Roman auch sehr authentisch.
An manchen Stellen erscheint es jedoch sehr ironisch. Mir schien es teilweise etwas übertrieben, was aber auch vom Autor so gewollt sein könnte. Gestört hat mich der Gebrauch des Rheinischen Dialekts. Eine Übersetzung für alle, die diese Sprache nicht beherrschen, wäre dienlich. Der Gesamtwert des Werkes wird dabei nur unwesentlich beeinflusst.
Der Klappentext verspricht Witzigkeit, die in jedem Falle garantiert ist.

Eigene Meinung:

Früher war es Inserate in der Zeitung. Heute ist es das WWW. Dabei gibt es für die Partnersuche weitaus größere Möglichkeiten. Toll. Doch jeder sollte sich darüber im Klaren sein, dass es nicht nur positive Seiten bei der Partnersuche im Netz gibt. Auch wenn sich der Autor einer teilweise recht flapsigen Sprache bedient, so wird dem erfahrenen Leser der Mitteilungswert nicht verborgen bleiben. Für mich war der Roman unterhaltsam mit einem großen Potential an Lachsalven. 

Sonntag, 29. September 2013

Anika Werkmeister: „Wenn die Liebe anklopft“

Bibliographisches:
·         erschienen im August 2012 im Traumstunden Verlag
·         umfasst 330 Seiten

Inhalt:
Angie steht vor den Scherben ihre Beziehung mit Ronny. Es ist aus. Angie beginnt ihre Aufarbeitung mit einer Selbstbetrachtung. Als sie gerade dabei ist, sich richtig in ihrem Selbstmitleid und in ihrem Schmerz zu wälzen, erhält sie einen Anruf ihrer besten Freundin, die ihr in ihrer schweren Stunde zur Seite stehen will. Angie braucht in diesem Moment keine Freundin, sondern nur ihr unendliches Selbstmitleid. Doch Monia ist hartnäckig und lässt sich nicht abwimmeln. Bei einem heilenden Einkaufsbummel treffen sie auf Ronny. Die Bombe platzt. Ronny ist mit einer anderen. Angie ist fassungslos. Monia nutzt die Gelegenheit und legt die Karten auf den Tisch. Sie war es, die im Untergrund dafür gesorgt hat, dass sich Ronny von Angie trennt, denn schließlich wollte sie ihn haben. Und die fremde Frau ist niemand anderes als Ronnys Schwester. Enttäuscht von so viel Intrigen beschließt Monia wieder ihre Tätigkeit als Kinderkrankenschwester auf zunehmen.
Eine neue kleine Patientin wird eingeliefert. Sie hat als einzige einen schweren Autounfall überlebt. Angie fühlt sich zu Nele hingezogen, kümmert sich um sie mehr als um andere Kinder. Die medizinische Betreuung der kleinen Nele hat Dr. Nielsen in den Händen. So richtig war er Angie bisher noch nie aufgefallen. Aber er scheint so ganz anders als die ihr bisher bekannten Kinderärzte zu sein.
Für die kleine Nele müssen Angehörige gefunden werden. Was sollte sonst aus dem kleinen Mädchen werden. Dann endlich erscheint Steven Ehlert. Der Onkel. Für Angie wird Steven mehr als nur der Onkel von Nele. Schnell stellt Angie fest: „ … ich war nicht nur verliebt, nein, ich liebte diesen Mann aus vollem Herzen.“ Sie hatte ihren Deckel gefunden. Oder doch nicht. Er ist derjenige, der mit ihr gegen ihre biologisch tickende Uhr kämpft.
Ronny hatte sie verlassen, ihre Arbeit gab ihr Auftrieb. Sie verliebte sich in die kleine Nele und mit Steven an ihrer Seite begann das Leben für sie neu.
Happy end.

Covergestaltung und sprachliche Umsetzung:
Lesegenuss verspricht der Titel und auch das, was da geschrieben steht. Selbst die Schilderung der Selbstzweifel lassen den Leser schmunzeln. Wer Ildiko von Kürthy mit ihren Büchern kennt, kann beim Lesen Parallelen ziehen. Werkmeister besitzt das Talent, traurige Szene sprachlich so zu verpacken, dass der Leser die Ernsthaftigkeit erkennt. Ihre Spiegelbetrachtung ist zwar für die Protagonistin eine sehr furchtbare Situation, doch für die Autorin ein eher belustigendes Moment. Es ist eine Situation, die jede Frau nachvollziehen kann, weil wahrscheinlich die meisten der Leserinnen solche oder ähnliche Situationen schon selbst erlebt haben. Und genau das ist der Grund, weshalb Frau gern zu diesem Buch greifen wird.
Variationen in der Länge der Sätze und gute Satzverknüpfung bescheren dem Leser einen zügigen Lesefluss. Spannungsaufbau und Abflauen der Spannung lassen den Rezipienten neugierig werden. Die Dialoge sind authentisch. Ohne Schnörkel wirken sie überzeugend, sind lebensnah.
Das Cover ist schlicht gestaltet. Ein Türklopfer in Herzform. Doch es passt sowohl zur Einstiegssituation. Doch noch viel besser entspricht es der neuen Liebe.

Meine Meinung:
Ein Buch für uns Mädels. Eine Situation, die wir nur zu gut kennen. Das Leben scheint nach einer gescheiterten Beziehung nicht mehr lebenswert zu sein. Wir fühlen uns zu fett, zu dünn, zu hässlich. Unsere Problemzonen springen uns aus dem Spiegel entgegen. Nie mehr wollen ihr einen Mann. Die sind alle beziehungsunfähig, wissen unsere Liebe nicht zu schätzen. Und gerade als wir uns mit dieser neuen Lebenslage abgefunden haben, steht schon der nächste Anfang vor uns. Neue Liebe, neues Glück? Und wir lassen uns wieder darauf ein. Und? … Ja manchmal kann dann das Glück oder die Liebe anklopfen.

Leichte Lektüre, aber nicht flach. Unterhaltung pur. Eben aus dem Leben gegriffen. 

Dienstag, 24. September 2013

Sylvia Schöningh-Taylor: „Das schwarze Loch in mir – Eine spirituelle Odyssee“

Auf der Suche nach dem Selbst

Bibliographisches:

erschienen 2013 im Verlag 3.0
umfasst 211 Seiten

Inhalt:

Sofia erzählt die Geschichte ihres Lebens. Ein Leben, das geprägt ist von der Suche nach Liebe. Schon als Kind versucht sie, die Liebe ihrer Mutter zu gewinnen. Doch ein unerfülltes Leben lässt sie immer wieder an Grenzen geraten. Sie muss erfahren, dass die Mutter sie bis zu ihrem Tod für ihr Leben, in dem sie nicht glücklich ist, verantwortlich macht. Als junge Frau sucht sie in sexuellen Exzessen nach dem, was sie als Liebe erkennen kann. Auch hier scheitert sie kläglich. Ihre Liebe und Hingabe erfüllt sie kurzzeitig in ihrem Beruf als Lehrerin. Doch eine Erfüllung will sich auf Dauer nicht einstellen. Und so führt sie ihr Weg nach England, wo sie darauf hofft, von Nick das zu erhalten, wonach sie sich schon Jahre sehnt – Liebe. Schnell erkennt sie, dass sie selbst diesen Mann nicht liebt, er aber scheinbar sie. Das ändert sich nach der Geburt des ersten Kindes. Nick zeigt sein wahres Gesicht. Eifersucht und Launen dominieren das Eheleben. Zugespitzt durch die Geburt des zweiten Kindes.
Irgendwann beschließt Sophia, wieder ihr eigenes Leben zu leben, gemeinsam mit ihren Kindern. Jedoch führt der Entschluss, sich scheiden zu lassen, dazu, dass sie auch auf ihre Kinder verzichten muss. Sie steht nun allein da. Verlässt die Insel. Erst in der Einsamkeit der Bergwelt findet den Frieden, den sie so lange gesucht hat.

Covergestaltung und Inhalt:

Das Cover scheint in einem krassen Gegensatz zum Titel und dem Inhalt zu stehen, da die farbige Gestaltung des Titels nichts mit dem schwarzen Loch gemein hat. Genau aber die Farben des Regenbogens zeigen dem Leser, wie die Autorin mit ihrem schwarzen umgeht. Sie ist versöhnt. Hass scheint ihr fremd zu sein.

Sprachliche Gestaltung und Umsetzung der Thematik:

Die Autorin schreibt flüssig, bedient sich vieler sprachlicher Bilder. Was das Verstehen für manchen Leser erschweren könnte, sind die Bezüge zur Weltliteratur, die nicht unbedingt als bekannt vorausgesetzt werden können. Nur wer literarisch gut gebildet ist, kann die Zitate entsprechend zuordnen, Gleiches gilt für sehr ausgewählte Werke („Kein Ort. Nirgends“ von Christa Wolf), die nur einem begrenzten Lesepublikum bekannt sein dürfte. Weiterhin wäre es für den nicht so sprachgewandten Leser hilfreich, wenn die englischen Zitate in einer Übersetzung vorliegen würden. Auch wenn es sich hier um ein recht problematisches Thema handelt - ich nenne es Selbstfindung und der Weg dorthin – setzt das Buch im Sprachgebrauch keine Grenzen für eine besondere Leserschicht.
„Das schwarze Loch in mir“ – Selbstfindung und der Weg dorthin. Ist es ein besonderes Thema? Den Weg der Autorin gehen viele Menschen. Ich selbst habe mich an verschiedenen Stellen des Buches wiedergefunden. Braucht man dazu Spiritualität? Liest man verschiedene Definitionen, kann man den Untertitel bejahen oder verneinen. Das kommt auf die Sichtweise des Betrachters an. Sieht man sich nun den Begriff „Odyssee“ an, dann gelangt der Leser recht unverblümt zur Erkenntnis, dass eigentlich jeder Mensch eine Odyssee lebt, denn nach der Dudendefinition ist es nichts anderes als „lange Irrfahrt; lange, mit vielen Schwierigkeiten verbundene, abenteuerliche Reise“. Diese Reise tritt der Mensch am Tag seiner Geburt an. Sicherlich verläuft sie für jeden Menschen anders, abhängig von seinem sozialen Umfeld, in das er hineingeboren wird.
Nicht ganz klar ist mir die Wahl des Titels „Das schwarze Loch in mir“. Hat nicht jeder Mensch ein solches schwarzes Loch in sich? Das, was die Autorin beschreibt, ist kein Einzelfall. Prägende Lebensumstände gibt es in vielen Familien, besonders in Familien, die den Krieg miterlebt haben. Die Ausweitung des Erlebten auf die Mitglieder der Familie ist auch nichts Außergewöhnliches. Es ist nur ein Hilfeschrei, der möglicherweise in die falsche Richtung geht. Dass das auch Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen hat, wird nicht bestritten. Doch fragt sich der Leser, in diesem Falle ich, ob nicht jeder Mensch ein sogenanntes schwarzes Loch in sich trägt. Und resümierend von meinem Leben ausgehend, kann ich nur sagen, ja, auch ich habe ein solches schwarzes Loch in mir. Letztendlich kommt es jedoch immer darauf an, wie tief man diesen Strudel an sich oder in sich heranlässt.
Der Weg zur Selbstfindung ist nicht leicht, gepflastert mit Steinen und geprägt von tiefen Gräben. Für jeden? Nicht für jeden. Wer Sicherheit bevorzugt, sich mit dem Erreichten und Vorhandenen zufrieden gibt, braucht keine schmerzvollen und holprigen Weg zu gehen. Sucht man allerdings nach dem Perfekten für einen selbst, dann muss man mit einem schmerzhaften Weg rechnen.
Besonders fällt auf, dass die Autorin nie Groll oder Wut gegenüber den Menschen in ihrem Umfeld empfindet. Es hat den Anschein, dass sie ihnen eher wohlgesonnen ist, beinahe hilflos allem und jedem gegenübertritt. Für mich nicht ganz nachvollziehbar, weil es nach meiner Auffassung so gar nicht dem menschlichen Wesen entspricht. Schließlich haben wir schon alle in unserem Leben Wut gegenüber anderen Menschen gefühlt.

Meine Meinung:

Ich konnte mich mit dem Buch teilweise identifizieren. Es ist aber nicht geballt mit neuen Erkenntnissen. Doch meine Meinung zu dem Buch ist auch geprägt von meinen eigenen Lebenserfahrungen. Mag durchaus sein, dass andere Leser dieses Buch als eine Unterstützung für ihr eigenes Suchen nach dem perfekten Lebensweg betrachten.
Und wenn ich am Ende den Inhalt noch mal Revue passieren lasse, dann frage ich mich, ob die Flucht in die Einsamkeit der Berge nicht die Flucht vor sich darstellt. Gut ich habe immer versucht mich den Steinen in den Weg zu stellen. Musste erkennen, dass man fallen kann und nicht mehr in der Lage ist, aufzustehen. Dann wird die Aussage der Flucht wieder relativiert, und ich nenne es Selbstschutz. Das ist das, was ich selbst lernen musste.

Es ist sicher ein sehr streitbares Buch. Aber eines ist es auf keinen Fall, ein Buch, das man in einem Zug liest, möglichst mit Kerzenschein und Rotwein. Man muss sich mit dem Geschriebenen auseinandersetzen, fast auf jeder Seite.

Sonntag, 15. September 2013

DER TAG DER ERKENNTNIS - Rezension zu Nika Lubitsch "Der 7.Tag"

Nika Lubitsch: „Der 7. Tag“
Unschuldig vor Gericht. Der Horror. Unschuldig schuldig gesprochen zu werden. Nicht vorstellbar. Sich aber selbst schuldig zu bekennen im Bewusstsein, dass man unschuldig ist, lebenslänglich hinter Gitter muss. Das ist der Wahnsinn und wer so etwas macht, muss unzurechnungsfähig sein. Und wenn während des Plädoyers erkennt, dass man ein Bauernopfer ist, und zwar genau für den Mann, den man über Jahre als Freund der Familie angesehen hatte und der einen aus dieser verfahrenen Situation herauspauken soll. Das alles ist unwirklich, unglaubhaft.
Könnte man meinen. Doch wenn man ein aufregendes Leben geführt hat, vom Leben nicht immer mit Streicheleinheiten verwöhnt wurde, dann weiß man, dass es kaum etwas gibt, was es nicht gibt.
„Der 7. Tag“ von Nika Lubitsch erzählt von einem Ehepaar, die alles haben, was Mann und Frau sich nur wünschen können. Geld, eine tolle Villa, super tolle Jobs, dabei noch erfolgreich. Was braucht der Mensch noch mehr? Stimmt. Die Familie muss noch vervollständigt werden. Ein Kind muss her. Auch das wird den beiden beschert. Besser noch, sie bescheren es sich. Leben perfekt.
Doch eines Freitags – es ist nicht der 13. – beginnt das Leben, das bisher so normal war, sich auf den Kopf zu stellen. Am Ende – alles verloren. Alles selbst auch die geliebte Mutter, die Sybille noch den Rücken gestärkt hat, aber auch das so heiß ersehnte Kind. Damit wurden auch die letzten Erinnerungen an den Mann, den Bille so liebte, vernichtet. Ein nicht aufzuhaltender Abstieg lässt grüßen.
Als Leser kann man sich durch die flüssige Sprache, die sehr an der Umgangssprache bleibt, und dem nüchternen aber sogleich auch wieder emotional bildlichen Schreibstil sehr gut mitten in die Situation hineinversetzen. Doch eigentlich will man das gar nicht, denn diesen Alptraum, den Sybille über sich ergehen lassen muss, mag man nicht miterleben.
Besonders faszinierend ist die Gestaltung des Krimis. Ganz rational erzählt die Protagonistin von Ihrem Prozess, bei dem sie von dem besten Freund ihres toten Ehemannes verteidigt wird. Sie legt ihr Leben in seine Hand, vertraut ihm blind. Fast jedenfalls. Und das zum Glück. Denn ihre Hellhörigkeit während seines Plädoyers lässt sie erkennen, dass der wahre Täter ihr Verteidiger ist. Und so beschließt sie, sich in ihrem letzten Wort als schuldig im Sinne der Anklage zu bekennen. Warum, fragt sich der Leser. Die Begründung ist einfach. Sie braucht Zeit, um zu recherchieren (recherchieren zu lassen) und die einzelnen Puzzleteile zusammenzufügen. Und es gelingt. Nicht ihr Ehemann hat seine Mandanten betrogen, sie und ihre kleine Familie verlassen. Er war das Opfer. So eine Wendung erwartet der Leser niemals.
Doch erkennt der Rezipient auch, wie unsere Mediengesellschaft den Absturz eines Menschen beschleunigen kann, wie sich alle und alles gegen jemanden wendet, wenn er in den Fokus unangenhmer Presse rückt.

Auch wenn nur recht kurz mit 185 Seiten, aber ein Genuss, der einen nicht mehr aus den Fängen lässt.

Sonntag, 1. September 2013

Tom Wolfe: „Im Fegefeuer der Eitelkeiten“

Zur Einstimmung auf „Back to the Blood“ gelesen. Durchgekämpft. Es war schon schwere Kost. Aber auch wieder mal etwas anderes als nur die pure Unterhaltung.
Eindrucksvoll schildert Wolfe das vielschichtige Leben in New York City, der Stadt, von der man behauptet, dass sie niemals schlafe. Gekonnt lässt er den Leser zwei Stadtteile durchstreifen, die gegensätzlicher nicht sein können. Die Bronx und Manhattan.
Sherman ist erfolgreich und braucht sich um Geld keine Sorgen zu machen. Doch der Preis für dieses vermeintliche Glück ist hoch. Perfekt in jeder Lebenslage. Fehler haben schwerwiegende Folgen.
Sein Kontrahent Lawrence Kramer versucht als Staatsanwalt sich durchs Leben zu schlagen. Dass die beiden einander eines Tages gegenüberstehen, ist eher unwahrscheinlich.
Doch dann passiert das, womit keiner gerechnet hat. In Begleitung seiner Geliebten Mary, die an diesem Tag den Wagen von Sherman McCoy fährt, werden beide in einen Unfall hineingezogen. Alles geschieht, als sie flüchten wollen, weil sie von zwei Jugendlichen in der Bronx überfallen werden. Warum sie in der Bronx landen? Ganz einfach. Weil Mary sich verfahren hat. Beim Zurückstoßen wird einer der beiden angefahren. Einen Tag später fällt dieser junge Mann ins Koma. Gefundenes Fressen für die Boulevardpresse und für einen auf Krawall gebürsteter Reverend aus Harlem, der seine Position ausnutzt, um zu manipulieren.
Ihnen allen, auch dem frustrierten Staatsanwalt, wird Sherman McCoy zum Fraß vorgeworfen. Sein einst so genussvolles Leben bricht entzwei. Er muss erkennen, dass die Oberflächlichkeit, die er einst so ausgekostet hatte, auch genauso schnell einen Menschen zum Absturz bringen kann.
Eindrucksvoll erzählt Wolfe das Leben der Großstadt. Leicht, hemmungslos, egoistisch. Auch wenn das FAZ-Magazin den Roman als komödiantisch beschrieben hat, bekommt der Leser schnell eine Abneigung gegen das immer so gepriesene Leben von NYC. Menschen und Gefühle haben hier keine Bedeutung. Was zählen sind Macht und Geld. Wer das besitzt, kann alles haben, sich alles leisten. Doch dafür ist Sherman noch nicht hoch genug geklettert auf der Karriereleiter. Zudem hat er sich kurz zuvor einen beinahe unverzeihlichen Fehler geleistet. Der Unfall, der eigentlich nur im Zuge der Notwehr geschah, ließ ihn ohne Netz abstürzen und brutal auf dem Leben aufschlagen.
Nach dem Roman musste ich unweigerlich Parallelen zu unserem heutigen Leben ziehen. Hat uns NYC eingeholt? Zählen doch auch in unserer heutigen Gesellschaft nur noch Macht und Geld. Die Oberflächlichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen hat längst Einzug gehalten und gehört mittlerweile zum guten Ton. Wer dem nicht standhalten kann, geht unbeachtet unter. Natürliche Selektion? Menschenverachtung? Man kann es nennen, wie man will.

Wolfe versteht es ausgesprochen gut, den Leser in die Position des Beobachters zu setzen. Er urteilt und verurteilt nicht. Er lässt dem Leser den Raum, sich selbst zu positionieren. Macht gerade diese Fähigkeit seinen Erfolg aus? Auch wenn man dieses Buch anders liest, als die meisten der aktuellen Bestseller, so ist es doch ein Erlebnis.